Freitag 4. Dezember 2009. In einigen Tagen geht mein Flug nach China. Ich bin schon seit Tagen so aufgeregt wie ein Kind vor dem Weihnachtsabend. Mist, sollte ich nicht noch beim Reisebüro meinen Flug telefonisch bestätigen? Ich sehe in das Kleingedruckte der Vertragsbestimmungen. Alles im Konjunktiv: Wenn der Flug gecancelt werden würde und man nicht rechtzeitig vorher Bescheid gegeben hätte, dann wäre man selber schuld. Hmmm, im Internet ist zu lesen, dass alles nach Plan verlaufen sollte. Flug steht, Ich bin mit Yuan (Chinawährung) und Hong Kong Dollars gerüstet.
Kann also losgehen. Im Frankfurter Flughafen folge ich brav der Ausschilderung zu meinem Terminal. Ich warte auf die Flugnummer die auf dem Informationsterminal erscheinen soll. CA-irgendeine Nummer. Ich bin zu früh und muss warten. Endlich erscheint die gewünschte Information und ich begebe mich zum angezeigten Ticketschalter. Ich bekomme gleich 2 Tickets in die Hand gedrückt. Eines nach Peking, ein Weiteres nach Liuzhou. Bestens! Das Gepäck gebe ich ab und nach einer kurzer Wartezeit finde ich mich in einem Airbus 320 wieder. Jetzt heißt es 9 Stunden 45 Minuten vor sich hindösen.
Ich bin eh schon wegen des wenigen Schlafs kaputt wie Hund. Da helfen auch die Filme nichts die man sich während des Fluges anschauen kann. Kung Fu Panda von Disney, Desperate Housewifes und Cameron Diaz flimmern über das TFT-Display vor mir. Blöd nur, dass die Position des Flugzeuges per GPS immer auf einer Landkarte angezeigt wird. Das ist so, als wenn man dauernd auf die Uhr sieht. Da geht die Zeit auch nie vorbei. In ca. 38000 Fuss Höhe geht langsam irgendwo in Russland die Sonne unter. Auch ich versinke in einen Dämmerzustand und wache, immer noch gerädert, in Peking (Beijing) auf.
Ich folge dem Tross von Reisenden (sehr viele Deutsche, vom Monteur bis zum Maschinenbauer) Richtung Ausgang. Visa zeigen und Healthdeclaration ausfüllen. Die Adresse wo ich in China die nächsten Tage bin habe ich mir aufschreiben lassen. Ausgedruckt als Papierschnipsel habe ich es im Portmonaie, für den Fall, dass ich in China irgendwo verloren gehe. „Da muss ich hin, da wohne ich“ könnte ich einem Taxifahrer mitteilen.
Nur wie zum Kuckuck soll ich diese Marienkäferschrift von chinesischen Zeichen kopieren? Auf der Helthdecleration ist zu wenig Platz….Ich frage die Stewardess mir zu helfen. Geschwind kritzelt sie das nötige auf den Zettel. „Xie Xie“, bedanke ich mich. Nachdem ich also mein Gepäck wieder habe, geht es zum nächsten Check-in. Gleiches Prozedere, nur diesmal ist es eine alte Boing die abheben soll. Alles etwas kleiner hier, alles nur Chinesen. Ich setze mich hin und habe gleich beim Versuch die Rückenlehne zu kippen einen Teil der rechten Armlehne in der Hand. Oops…..schnell klemme ich das Plastikteil zurück an seinen Platz.
Der Pilot rollt mit seiner Passagierladung zum Rollfeld und gibt ordentlich Schub. Nette Sache das, denke ich. Fast wie in der Achterbahn. Auf dem 2 Stunden 45 Minuten Flug gibt es einen Snack aus Reis und Chicken. Zumindest verhungert hier keiner. Es ist bereits hell seit meiner Ankunft in Beijing und meine Uhren sind schon 8 Stunden vorgestellt. Der Anflug auf den kleinen (Militärflughafen?) gestaltet sich problemlos. Wir setzen auf und rollen an mit Plane abgedeckten Mig-21 Jägern vorbei (Erstflug 1956). Diese Dinger fliegen noch, denke ich? Vielleicht ein Museumsstück….noch eins…und noch eins….13 Stück. Ok, hier ist offenbar die Technik stehen geblieben.
Nach dem Aussteigen wieder gleiches Spiel: Healthdecleration und Passport vorzeigen. Endlich sehe ich Yan wieder. Sie wartet bereits mit Ihrem Cousin, um mich abzuholen. Es ist angenehm warm. 17 Grad schätze ich und bewölkt. Gleich fällt mir die „andere Luft auf“. Nicht so gut wie in Deutschland. Adi (Spitzname von Yans Cousin) wuchtet meinen Koffer ins Auto und wir fahren zurück and Zuckerrohrfeldern vorbei Richtung Wohnort ihrer Eltern.
Ich bin erschlagen vom Gewühle des Straßenverkehrs. Alles fließt wie Wasser, Verkehrszeichen werden nur an den großen Kreuzungen eingehalten. Rechts überholen? Kein Thema! Hupen auf Verdacht? Ein muss! Autos ohne Nummernschilder sind auch dabei. Hier würde jeder Deutsche nach 5 Minuten einen Unfall fabrizieren.
Endlich biegen wir in das „DongFeng Liuzhou Motor Co“- Werksgelände ein. Die Arbeiter wohnen hier quasi auf dem Werksgelände. Ein riesen Areal. Hier werden LKW-Teile gebaut lasse ich mich belehren. Yans Eltern wohnen im 5. Obergeschoss. Kein Fahrstuhl, aber was soll ́s, ich habe eh genug rumgesessen. Eigentlich bin ich nur etwas müde und brauche eine Dusche.
Nachdem ich mein Gepäck ausgepackt habe, wird Wasser von oben auch dringend fällig. Die Dusche besteht aus einem Schlauch mit Duschkopf an der Wand. Nichts mit Duschkabine. Egal, geht auch so, wenn ich auch aufpassen muss die Badezimmereinrichtung nicht zu fluten.
Frisch aufgetankt fühle ich mich gleich besser und Yans Vater lässt verkünden, dass ein abendliches Essen mit Yans Bruder, Frau und dem kleinen 7 Monate alten Kind geplant ist. Auch Adi gesellt sich an den runden Tisch des Restaurants hinzu. Die obligatorische Drehplatte in der Mitte des Tisches erweist sich als sehr praktisch. Jeder fischt sicht das Gewünschte mit Stäbchen aus dem Angebot oder dem Hot-wok heraus. Hot-wok ist die Bezeichnung eines „Gerichtes“ auf Suppenbasis. Meist Huhn oder Fleischbrühe mit diversen Fleischstücken oder Gemüse. Kleinere Beigaben wie Tofubällchen können hier kurz warmgemacht werden. Oder man schlürft die Suppe einfach so. Genau richtig für das kalte Winterwetter, meint Yan. Winterwetter? Draußen ist es dunkel, vielleicht 14 Grad. Am nächsten Morgen habe ich den Jet-lag und das harte Bett überstanden. Jetzt ist erst mal Frühstückszeit. Meine Frau ist schon auf dem Weg zur Arbeit und ich lasse mir von Yans Eltern ein typisch chinesisches Frühstück anbieten. Es besteht aus einem Reisporretsch (Plattgekochter Klebreis) und einigen Löffeln süßlich vergorener Sushireis. Hey, da ist ja Alkohol drin. Hat etwas Met-Karakter, nur das beim Met keine Reiskörner mehr rumschwimmen ☺. Gekrönt wird diese Kombination von einem pochierten, wachsweich gekochtem Ei. Nun, ich esse meine Schüssel auf. Soll ja schließlich schönes Wetter werden, dieses Frühstück ist aber definitiv nicht mein Fall. Dann doch lieber Brot und Käse. Zudem verfuttere ich in den nächsten Tagen jede Menge Chüe-Li (Nashi-birnen). Gelegentlich einmal ein Ü-mi (Maiskolben), wenn Yans Eltern meinen ich müsse mehr essen. Naja, ich habe ja genug Reserven ☺.
Milch trinkt der Chinese nicht, oder nur sehr selten. Käse und Jogurt gehört hier definitiv nicht zum Speiseplan. Auch gibt es nur weißes Mehl, folglich nur weißes Brot. Alles ist irgendwie süßlich, auch wenn es nicht süß seien soll.
Hinter einigen kleineren Eingängen befindet sich ein größerer Supermarkt. Ich kaufe mir eine kleine Flasche Wasser für 1,5 Yuan, umgerechnet 15 Cent. Wasser muss hier abgekocht werden, sonst ist ein Dauerbesuch auf der Toilette sicher und dass möchte ich vorerst vermeiden. Das öffentliche chinesische Durchschnitts-„Klo“ besteht aus einem Loch im Boden (nicht bei Yans Eltern), also nicht jedermanns Sache. Ich erkunde den nächstgelegenen Park mit einem der für diese Gegend typischen Berge. Ich klettere die Stufen hinauf. Das Steigungsverhältnis ist hier definitiv für kleinere Füße als für meine Quadratlatschen ausgelegt. Oben angekommen bietet sich ein Blick über den Ameisenhaufen der sich Stadt nennt. Erinnert irgendwie an die neuen Bundesländer, nur mit 10 mal soviel Menschen.
Nach dem Abstieg und einigen Fotos später geht es Richtung Innenstadt wo die wirklich hohen Häuser stehen. Auf der „Bogenbrücke“ über den Fluss werde ich von einem Mädel auf englisch gefragt, ob ich Fotograf sei. Die Kamera verrät mich wohl. Endlich mal Jemand der mich versteht. Ich frage sie nach einem Laden für Fotozubehör, und sie sagt ihr Mann sei Inhaber eines solchen Ladens. Was für ein Glück, denn ich brauche noch einen Polarisationsfilter für mein Objektiv. Durch diesen leichten allgegenwärtigen Nebel ist sonst kein Durchkommen.
Sie schreibt mir die Adresse auf und am nächsten Tag peile ich mit dem Bus die grobe Richtung des Ladens an. Yan hat mir zuvor die passende Buslinie genannt. Dieses chinesische Handgekritzel kann ich nur einem Einheimischen unter die Nase halten. Ich frage ein junges Mädchen. Die müsste eigentlich noch gutes Schulenglisch parat haben. Bingo! Sie hilft mir und fragt sich für mich durch. Endlich im Laden, versuche ich mich verständlich zu machen was für einen Filter ich brauche, und zeichne die Funktionsweise auf ein Blatt Papier. 20 Minuten später und umgerechnet 35 Euro leichter verlasse ich mich bedankend den Laden. Ich wage mich an einen der kleinen Imbissläden die hier zu Hauf zu finden sind. Ich hätte gerne „liang ge“ (zwei) davon und zeige auf die Sorte kleiner Fleischspieße die nach Schweinefleisch aussehen. Yan ärgere ich später damit, daß ich diese Art von Snack als Ratte am Spieß bezeichne ☺.
Mitten in der Innenstadt wird kräftig umgebaut. 2 Fußballfelder groß ist die Baustelle direkt am Wasser. Hier entsteht demnächst eine supermoderne Einkaufsmöglichkeit von 3 neuen Hochhäusern, wie die Visualisierung am Bauzaun verrät. Ich überlege was ich als Geschenk einkaufen könnte. Ich gehe in einen Buchladen in der Hoffnung einige Musik-CDs zu finden. Die gibt’s auch, allerdings brauche ich fachkundige Beratung von Yan, also muss ich warten. Stattdessen frage ich „Ni you gang bi ma“? Haben Sie Füller? Ich möchte einen Chinesischen. Kugelschreiber sind bei mir out, ich möchte mich in meine Schulzeit zurückversetzt wissen. Das Schriftbild ist einfach besser. Ich suche mir einen passenden Füller aus. Klassisch mit Tinte zum aufziehen. Auch die gesuchten CDs kaufe ich später. Ca. 3 Euro eine Doppel CD. Na da kann sich die GEMA (Vereinigung der deutschen Musikindustrie) eine Scheibe von abschneiden. Inzwischen haben Yan und ich Hunger. Ich möchte local-food essen.
Wir kehren in den Untergrund ein. Hier gibt es ein Sammelsurium an unterschiedlichen Essensständen. Es ist warm und aufgrund der vielen unterschiedlichen Gerichte und Zutaten sehr bunt. Vom Reisgericht über Nudeln, Fisch , Fleisch und Obst ist hier alles für umgerechnet 2 Euro zu haben. Wir entscheiden uns für Reis mit Fleisch. Yan zeigt auf verschiedene Fleischsorten, um dem Chefkoch klar zu machen, was alles rein soll. 10 Minuten später steht eine heiße und dampfende Terracottaschüssel mit Stiel vor uns. Schmeckt sehr lecker. Für Sekunden saust der Gedanke „Hepatitis A wird über die Nahrung übertragen“ durch den Kopf. Meine Impfung sollte bereits greifen. Mir fallen die kleinen motorisierten Dreiradtaxis auf. Mit so einem möchte ich mit Yan wieder nach hause fahren. Es wird Eines herangewunken und wir knattern los. Zugig und kalt ist es auf der Rückbank. Mehr als 35 Km/h fährt diese Kiste nicht, aber in diesem Verkehrschaos ist an ein schnelleres Vorankommen wie in Deutschland eh nicht zu denken. Ich möchte noch einen Abstecher nach Hong Kong machen. Yan macht unter der Woche ihr Praktikum in einem Hospital, hat also erst ab 18:00 Uhr für mich Zeit. Ihre Eltern besorgen das Zugticket. Von Liuzhou nach Shenzhen sind es ca. 750 Km. Es wird der 14 Stunden Nachtzug empfohlen. Franciska, die ich in Hong Kong treffen will, habe ich vorher informiert wo und wann wir uns treffen. Ich habe auf einem Sattelitenbild den Treffpunkt markiert. Ich möchte sie anrufen, um mich zu versichern, dass alles klar geht. Denkste! Der Chinese kann von seinem Haustelefon nicht einfach nach Hong Kong telefonieren. Wir brauchen eine Pre-Paid-Karte. Damit klappt es. In Shenzhen soll mich Sunny, Yans Cousine und ihr Onkel abholen. Ich brauche schließlich auch ein Ticket zurück. Alleine pack ich dass sonst nicht. Hier gibt’s keine Ticketautomaten, sondern nur Ticketschalter. Man muss also mit einer Person reden, wo man hinmöchte.
Der Nahverkehrszug bringt mich vorerst nach Guilin. 3 Stunden später checke ich die Anzeigetafel von welcher Plattform mein Zug abfährt. Ich muss im Wartebereich, ähnlich eines Flughafens, warten. Erst dann komme ich zum Gleis. Was die Leute so alles mitschleppen. Einer hat Pakete in der Größe zweier Umzugkartons dabei. Auch wird hier wieder öffentlich wie auf den Straßen gespuckt. Beim Warten „rotzt“ doch tatsächlich neben mir ein Mann um die 60 mit lautem Geräusch auf den Boden der Wartehalle. „Super, der Nächste tritt einfach rein“, denke ich.
Mein Zugticket sagt 8ter Wagen, drittes Abteil. Ich schlafe unten. Ich teile mir die Kabine mit einem sehr gut englisch sprechenden Mädchen, welches mich schon im Nahverkehrszug gesehen hat. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt und schließlich versuche ich beim rhythmischen Eisenbahngeratter einzuschlafen. Am nächsten morgen werde ich tatsächlich von Sunny abgeholt. Vorher habe ich noch gezeigt bekommen wie Sunny aussieht. 1,50m groß und sehr gut englisch sprechend. Mein Zug hat 1 Stunde Verspätung. Ich rufe Francisca in Hong Kong an, dass ich später komme. 14:00 Uhr am Treffpunkt sollte reichen.
Vorher noch schnell zu McDonalds, smalltalken und danach das Rückticket kaufen lassen. Das Zweite Rückticket ist erst mal „not availabel“, der Nachtzug könnte Verspätung haben und folglich hat es keinen Sinn sich ein Ticket für den zweiten Nahverkehrszug zu kaufen. Das mache ich dann vor Ort. Sunny schreibt mir etwas auf chinesisch auf, dass ich von Guilin nach Liuzhou möchte. Das kann ich dann dem Ticketverkäufer zeigen. An der Grenze zu Hong Kong merke ich, dass ich den Abholtermin nicht einhalten werde. Telefonieren kann ich jetzt aber auch nicht mehr. Ich warte 45 Minuten vor der Passkontrolle. Wieder die Healthdecleration ausfüllen und Pass bereithalten. Ich habe ein zweimaliges Einreisevisum für China. Als Europäer brauche ich für Hong Kong kein Visum, aber für China. Per MTR (U-Bahn) fahre ich bis nach Kowloon. Mist, das liegt zu weit rechts vom Treffpunkt. Ich muss umsteigen. Vorher frage ich mich auf englisch durch wie das wohl geht. Endlich bin ich noch geschätzte 500m vom Treffpunkt entfernt. Ich halte einem Einheimischen mein Sattelitenbild vor die Nase, denn ich habe inzwischen Null Ahnung wo ich bin. Die riesige Kreuzung sollte eigentlich kein all zu schweres Ziel darstellen, trotzdem werde ich erst in die falsche Richtung geschickt. Die Stadt ist eine einzige Hochhäuserschlucht. Aber supersauber, dass muss man den Einwohnern lassen. Da ist die Kreuzung, Francisca wartet bereits. Ich entschuldige mich fürs Zuspät kommen und wir treten den Weg mit dem Bus Richtung meines Hotels an. Francisca hatte ich damals per Zufall per Chat vor 6 Jahren kennen gelernt. Damals hatte ich scherzhaft gesagt „Ich komme irgendwann mal vorbei“. Nun habe ich meine Andeutung wahr gemacht. Ein Man ein Wort. Fran hat ein Hotel für mich ausgesucht und bereits eine Anzahlung geleistet. Ich bedanke mich mit einem von Ihr ausgesuchten Regenschirm á la „made in Germany“ und deutscher Schokolade.
Das Hotel ist klein aber fein. In Ap Lei Chau gelegen. Eine kleine Insel südlich von Hong Kong Central. Ich muss erst einmal duschen. Ich kann mich ja schon selber riechen. Von den vielen Hochhäusern bin ich wie erschlagen. Wir schlendern durch diverse Strassen. Jedes dritte Hochhaus scheint eine Bank zu sein, oder zumindest ein Gebäude das für eine Bank arbeitet. Das erste Essen ist eine Fischsuppe mit Nudeln. Diese Reisnudeln sind schon recht fad. Das Frühstück am nächsten Tag ist schon besser. Reisporretsch mit Huhn. Besser hätte ich es auch nicht kochen können. Die Händler bieten hier lagebedingt viel Meeresfrüchte an. Hund ist hier per Gesetz verboten. Wir schlendern ins IFC (International Finance Center) dem höchsten Gebäude in Hong Kong. Hier ist auch eine riesige shopping mall. Ein Supermarkt der gehobenen Art wird angepeilt. Ähnlich dem KaDeWe in Berlin, nur hier gibt es nur Lebensmittel. Fran fragt mich über verschiedene Gemüse und was man damit machen kann.
Hey, sollte das nicht andersherum laufen? Neben Sellerie aus Holland lachen mich auch Meicawürstchen und Lindtschokolade an. Für mich ist trotzdem alles neu. Gerade die Vielzahl von Süßigkeiten ist hier komplett anders, da viel getrocknetes Obst als Candy angeboten wird. Auch getrocknetes Fleisch und Tofu sind hier in rauen Mengen zu haben.
Auf dem Tagesplan des nächsten Tages steht Karaoke. Franciscas jüngere Schwester begleitet uns und singt uns beide in Grund und Boden. Ich mit meiner brummeligen Stimme komme an solch eine Glanzleistung nicht annähernd heran. „Singst Du auch auf Veranstaltungen“?, frage ich? Dumm nur, dass ich die chinesischen Untertitel nicht lesen kann, somit fällt schon mal 80% der Lieder weg. Trotzdem eine gute Erfahrung für mich. Ich weiß schon, warum ich unter der Dusche nicht singe….
Am nächsten Tag besuchen wir die Mehrzweckhalle am Hafen, Ein riesiges geschwungenes Dach bedeckt das Dachgeschoss der 3-geschossigen Halle. Von der Messe bis zum Museum findet hier alles statt. Es dämmert bereits und wir machen uns auf dem Weg zu „The Peak“. Der Spitze. Ein „must-have-seen“ für Touristen wie mich. Ein Salat im Bubba-Gump befriedigt mein Verlangen nach Grünzeug. Salat ist in China Mainland nicht als solcher verfügbar. Da wird nichts roh gegessen. Endlich western food. Das Restaurant ist vom Thema an Forrest Gump angelehnt. Bubba war im Film der Shrimpfischer. Folglich gibt es auch Shrimps im Salat. Es muss jetzt ca. 20:00 Uhr sein.
Wir gehen raus, denn ich möchte die Skyline bei Nacht ablichten. Ein traumhafter Ausblick und wirklich kalt hier draußen.
Am Freitag trete ich den Rückweg Richtung Shenzhen an. Die MTR gabelt sich und ich komme an der Haltestelle heraus in die ich nicht eingestiegen bin. Ein Taxifahrer bringt mich zum Ziel und knöpft mir 200 HK$ ab. Ca. 20 Euro. Drauf gehustet, denke ich. Hauptsache die örtliche Taximafia bringt nichtswissende Ausländer wie mich an mein Ziel. Richtig Geld ausgeben konnte ich in Hong Kong sowieso nicht.
Wieder im Nachtzug auf dem Rückweg verderbe ich mir den Magen mit Mandarinen und finde mich einige Tage des Nichtbesserwerdens bei einem Besuch in Yans Praktikum-Hospital wieder. Antibiotika müssen meine Verdauung aufräumen. Na super! Übrigens kann man hier Antibiotika in der „Apotheke“ frei kaufen. Man kann sich also quasi selber resistent gegen diese Medizin machen. Tja, wer es braucht! Die jungen Mitarbeiter in der Apotheke scheinen nicht älter als 22 Jahre zu sein. 4 an der Zahl. Der Laden ist gerade mal 30 qm groß. Fachkundige Beratung sollte man hier vielleicht nicht erwarten. Zudem ist auch haufenweise junges Volk in den Supermärkten und anderen Läden anzutreffen. Wo sind die Leute ab 30+ denn alle?
Inzwischen beginnt die dritte und letzte Woche meines Urlaubes. Jeden Morgen werde ich von Getöne des benachbarten Kindergartens um 8:00 Uhr geweckt. Und wenn nicht damit, dann durch den Strassen-/Fabrik – oder unmittelbar ansässigen Frischmarktlärm. Der Frischmarkt wird jeden Tag von der gleichen dudeligen chinesischen Musik beschallt. Die werde ich meines Lebens nicht vergessen. Fenster schließen bringt hier auch keine Abhilfe. Der Schallpegel bleibt fast unverändert. Wenigstens singen die Kinder im Kindergarten nicht jeden Tag das Gleiche. Wir machen uns auf zu Frischmarkt. Yan hat sich eine Woche frei genommen, sonst bin ich doch zu verloren auf weiter Flur.
Frisch ist hier wirklich Alles. Ausgesuchtem Fleisch wird später kurzerhand der Prozess gemacht. Gewürze und Kleidungsstände säumen die Strassen, auch in der Halle. Die Tierabteilung müffelt vor sich hin, Hunde hängen geräuchert (?) am Haken. Ein kunterbuntes Sammelsurium. Yan kauft ein Handtuch, denn ich nörgle jeden Morgen dass meins zu klein ist. Was auffällt sind auf der Strasse die vielen Elektroroller. Diese sind so leise, dass man sie kaum hört. Daran könnte sich Deutschland auch mal ein Beispiel nehmen. Auch braucht man hierfür offenbar kein Nummernschild. Weniger beispielhaft ist die Mülltrennung. Die ist nämlich nicht vorhanden. Der Müllbeutel wird, wenn er voll ist, einfach ins Treppenhaus gestellt und später abgeholt. Sehr gut für ältere Leute.
In der Innenstadt gibt es etwas abseits gelegen ein „Kaufhaus“ für Kleidung. Ich möchte mich umsehen. Kaufhaus ist gut, denke ich. Ein leichtes Durcheinander von verschiedenen Geschäften ragt bis in die Flurfläche herein. Der Fußboden sieht schon etwas unordentlich aus. Plötzlich möchte ein Chinese an mir vorbei. Auf dem Fahrrad, im 2 Stock, mit 1,50 meter breiter Ladung. Ich stelle mir vor wie so etwas in Deutschland aussehen könnte. Ich entschließe mich für einen Schlafanzug. Irgendetwas muss ja gekauft werden ☺ . Es soll einer bedruckt mit Snoopymotiven sein. Auch englischer Text ist dabei, den ich mir später genauer durchlese und mich über die Grammatik und Rechtschreibfehler amüsiere. Naja, wer liest sich schon im Dunkeln nachts Schlafanzugtexte durch?
Mein Gaumen verlangt nach einigen Tagen des chinesischen Essens nach westlichem Fastfood. Etwas das vertraut schmeckt. Yan schlägt eine Pizza in einem der hiesigen kleinen Fastfoodrestaurants vor. Klingt gut, Pizza sollte eigentlich überall ähnlich schmecken. Yan hilft beim Bestellen. Eine kleine mit Huhn soll es sein. Inzwischen nehmen wir wartend Platz und schauen derweil Tom & Jerry auf dem an der Wand montierten Fernseher. Wir fallen fast vom Stuhl vor Lachen, und denken, „Hey, warum ins Kino, wenn es hier quasi umsonst Unterhaltung gibt“. Zu weit lacht es sich doch am besten. Die Pizza kommt. Der erste Bissen ist ernüchternd! Irgendwas fehlt doch da….Tomatensoße? Keine da, stattdessen schmeckt die „Pizza“ scharf und ist mit, ich nenne es mal Kunstkäse belegt. Auch Salz gibt’s hier wohl nicht. Ich glaube Pizzabäcker hätten hier gute Chancen eine Marktlücke zu besetzen.
Abends ab 20:00 Uhr ertönt auf diversen Plätzen chinesische Musik. Tai Chi ist hier allgegenwärtig zur Abendzeit. Gruppen von 20 Leuten, meist Frauen bewegen sich annähernd synchron zu den Bewegungen des Vortänzers. Leider kann ich keine Fotos machen, da es zu dunkel ist und mein Blitz zu klein ist.
Es ist der letzte Samstag. Heute ist Hochzeitsfeier, oder zumindest das traditionelle Essen für Verheiratete. Yans Eltern haben ca. 60 Leute geladen. Vorher gilt es noch ein kleines Ritual in die Wege zu leiten. Räucherstäbchen und symbolhaft kleine Geschenke werden zu jeweils 5 Gruppen aufgestellt. Yan kann mir die genaue Bedeutung auch nicht erklären. Es ist wohl, um die verstorbenen Verwandten um Glück zu bitten. Warum eigentlich nicht, ich habe ja auch ein Kreuz über meiner Tür hängen. Ein wenig Rückendeckung kann nie schaden…… Auch ist es vorgesehen, dass den Eltern auf dem Sofa sitzend von uns kniehend ein Glas Tee gereicht wird. Sozusagen als Ehrerbietung.
Yan lässt sich für den Abend Haar -und makeup- technisch aufstylen. Und auch ich werfe mich in Schale. Wir gehen zu einem Hotel mit Restaurant in der Nähe, bzw. lassen uns von Adi dahinfahren. Im Hotel/Restaurant angekommen möchte meine Frau noch ihr „eigentliches Hochzeitskleid“ anprobieren. Aus unerfindlichen Gründen meint Yans Mutter ein weißes outfit wäre nicht passend. Vielleicht doch zu overdressed? Wir brauchen einige Minuten und man klopft schon an die Umkleidetür, wo wir denn bleiben. Die Gäste sollten wir nicht warten lassen. Jetzt kommt doch ein wenig Stress auf, aber nach genügend Fotos finden wir uns unter einem rosafarbenen, geschmückten Bogen wieder. Hier werden alle geladenen Gäste von uns begrüßt. Frauen bekommen Süßigkeiten, Männer eine Zigarette angeboten. So macht man das in China! Es wird von jedem Gast ein kleiner roter Umschlag mit Geld dem Hochzeitspaar überreicht. Wir stehen uns fast die Beine in den Bauch, während zwei Kinder ein Interesse an dem Brautpaar gefunden zu haben scheinen. Ein „wey guo ren“ (Ausländer) ist eben irgendwie interessant.
Endlich sind alle da. Wir marschieren zum Hochzeitsmarsch der Versammlung entgegen während wir von Konfetti beschossen werden. Tradition ist es, dass wir uns vor den Gästen, vor den Eltern und vor uns gegenseitig verbeugen. Unsere Köpfe stoßen leicht zusammen was für einige Erheiterung sorgt. Jetzt gilt es noch eine kleine Rede zu halten. Yan übersetzt. Puh, geschafft. Zum richtigen Essen kommen wir eigentlich gar nicht, da wir jedem Tisch einen Besuch abstatten müssen. „Gam bey!“ Glas leerend stößt man an. Wir allerdings mit Wasser, sonst würden wir wohl schnell unter dem Tisch liegen, denn der klare Schnaps hat 52 Umdrehungen. Hust! Mir kommt es so vor, als ob gar nicht richtig gegessen wird. Vielmehr scheint es so, dass diese Veranstaltung einfach sein muss. Viel Essen wird eingepackt und mit nach hause genommen.
Yan informiert mich, dass Ihr Cousin Adi uns zum nächtlichen Stadtbummel einlädt. In Liuzhou wird am Fluss abends immer ein Wasserspiel mit Musik abgehalten. Dass sind also diese schwimmenden Rohre im Wasser. Anfangs habe ich gedacht es habe irgendetwas mit Fischzucht zu tun, werde aber jetzt eines besseren belehrt.
Ich packe Stativ und Kamera ein und wenig später schallt uns schon Celin Dion mit ihrem Titanik-Song von weitem entgegen. Die Leute lassen kleine Heissluftballons fliegen. Wir beschließen auch welche zu kaufen. Der erste Start geht jedoch wegen des Windes ins Wasser. Der nächste Versuch klappt. Hier in Deutschland sind diese Dinger glaube ich verboten.
Einen Tag bevor ich wieder meine Reise nach Würzburg antrete, besuche ich mit Yan den Lon Tan Park. Viele Seen mit grünem Wasser und die schon bekannten Berge schmücken dieses Areal. Richtiges Postkartenmotiv. Im Park gibt es einen Tempel den wir ansteuern. Im viereckigen Innenhof qualmen Räucherstäbchen vor sich hin. Ich mache einige Fotos und schaue mir etwas schüchtern den „Altar“ mit Opfergaben an, der sich in einem großen Nebenraum befindet, der dem Innenhof angeschlossen ist.
Eine Katze hat es sich auf einem der Sitzkissen vor dem Altar gemütlich gemacht. Oder vielleicht doch ein „Wiedergeborener“? „Nein , keine Fotos!“, werde ich ermahnt und so schlendere ich mit meiner Frau weiter. Nahe eines kleineren Sees werde ich von einem Chinesen angesprochen. Er möchte Fischfutter verkaufe, übersetzt Yan. Ich habe aber nur 5 Yuan (50 Cent) und der Gute kann nicht wechseln. Also füllen 5 kleine Tütchen mit Futterpellets meinen Rucksack. Die Sonne kommt raus und wir machen eine kleine Bootsfahrt. Jetzt bekommen wir doch Hunger. Als Snack esse ich 2 Stücke Weißbrot. Ähnlich dem französischen Brioche. Yan ordert sich an einem öffentlichen Stand eine Schüssel Nudelsuppe, die für meinen Geschmack zu scharf ist. Meine alternativen Würstchen scheinen allerdings aus 70 % Stärke und 30 % Fleisch zu bestehen. Merkwürdig, dass so etwas als Wurst verkauft wird. Um 16:00 Uhr ist Treffen angesagt bei einer Tante von Yan. Eigentlich keine richtige Tante, eher eine lange Bekannte. Diese ist gerade aus Kanada wiedergekommen und man möchte natürlich den „Neuen“ sehen. Mich!
Hot-wok mit diversen Köstlichkeiten wird gereicht. Ich werde gefragt wie lange ich schon mit Stäbchen esse. Ich habe die Zeit nie gezählt, trotzdem kann ich zielsicher jedes Reiskorn greifen.
Der Abend vergeht wie im Flug. Gedanklich packe ich schon meine Sachen. Bekomme ich alles mit? 30 KG im Koffer sind schon eine Menge. Yans Vater hat noch ein supersüßes Teegeschirr stilecht im Bambuskoffer mitgegeben. Das auch noch? Ich verfrachte mein Fotostativ in den Koffer. Nur 2 Stück Handgepäck sind erlaubt. Passt! Wieder am Flughafen in Liuzhou beäugt die Dame von der Passkontrolle meinen Pass und mein Ticket. Was ist das? Ein deutscher Sonderlaut im Namen auf dem Ausweis? Auf dem Ticket ist der doch gar nicht zu finden. Hilfe wird konsultiert. Nach 5 Minuten ist der Fall klar: Ich bin kein Terrorist. Man muss sich halt mal als Beamtin profilieren. Ich verabschiede mich herzlich und gelobe wiederzukommen. Auf Yan muss ich noch etwas mehr als 3 Monate warten.
Die Boing hebt ab. Jedes mal wie in der Achterbahn, wenn ich leicht in den Sitz gedrückt werde. In Beijing stecke ich acht Stunden fest. Stockdunkle Nacht. Nein, ich fahre sicherheitshalber nicht raus in die Stadt. Wer weis, ob ich nicht irgendwo verloren gehe. Sylvester verläuft unspektakulär am Flughafen vorüber. Keine Durchsage, kein Glückwunsch. Ich besuche Burgerking und kaufe noch einige typische Süßigkeiten bevor ich mich wieder in den Sitz der Airbusmaschine klemmen kann. Seufz! Die Filme haben sich nicht geändert. Egal, ich kann wenigstens schlafen, da neben mir niemand sitzt. So habe ich doppelt soviel Platz. Gegen 6 Uhr morgens bin ich endlich wieder in „Fa lan ke fu“ Frankfurt. Trennen mich nur noch 2 Stunden bis nach hause. Ich bin schon froh wieder in den eigenen 4 Wänden zu sein.
Und: nie war eine Scheibe normales Vollkornbrot leckerer!!
Bis zum nächsten mal China!